zmitz-Bloggerin Mirjam Staudenmann war einfach nicht in Stimmung. Blogger Fabian Gressly ging mit einer klaren, aber eher kritischen Haltung ans Konzert. Ob Ben Jeger und Barbara Gasser es geschafft hat, die Beiden für sich zu gewinnen?

Wäre wegtanzen besser gewesen?

Mirjam Staudenmann

Yello, Milonga und Sonntagabende

Fabian Gressly

Er wäre so perfekt gewesen. Er, dieser Freitagabend in der St. Peterskappelle. Es lag an mir, es tut mir leid. Es lag an dieser Woche, die hinter mir lag. Sie, die nach einem Freitagabend ohne Auseinandersetzung mit egal was rief. Und da sass ich also: Am Konzert von Ben Jeger und Barbara Gasser, an einem Konzert das so viel mehr verdient hätte als mich.

An jedem anderen Abend wäre es anders gewesen. Ich hätte diese Einmaligkeit aufsaugen können, hätte Gänsehaut gekriegt ob dem Beginn des Konzertes, dem mystischen Klang von Ben Jegers Gläser zusammen mit dem Glockenspiel der Kapelle. Ich wäre weggetreten zu den Celloklängen welche das Stück «Haus im Süden» umgaben. Aber ich war zu unruhig, fahrig und hätte sie eher wegtanzen oder wegreden wollen diese Woche.

Nach der Pause kam es langsam. Nach einer Stunde in der mir die Auseinandersetzung quasi aufgezwungen worden war, ging es plötzlich besser. Die Klänge ergriffen mich wirklich. «La vie en rose» fand den Weg in mein Herz, die Klänge des Föns konnten mein Gemüt sanft erheitern. Ich stand auf, ich wollte, dass mich diese Musik endlich ganz einnimmt und – in den letzten beiden Liedern hat es geklappt, endlich.

Es ist so schade, dass ich nicht von Anfang an in Stimmung gewesen war, die dieses Konzert gebraucht hätte. So schade, dass ich diese Tiefe nicht von Anfang an hatte geben können. Nach dem Konzert war ich aber dann doch plötzlich aufgefüllt und aufgetankt. Vielleicht sogar mehr, als wenn ich die Woche weggetanzt hätte.

Wenn die Affiche Ben Jeger heisst, weiss man, dass man sich auf etwas eher Unkonventionelles einstellen muss bzw. darf. Erst recht, wenn nebst der bekannten Glasharfe und dem Akkordeon unter den von ihm gespielten Instrumenten ein ominöser Miostar – bekanntlich Migros‘ Elektromarke – auftaucht. Jeger war schon im Rahmen der Kulturnacht 2013 gemeinsam mit der Cellistin Barbara Gasser aufgetreten und beide hatten das Publikum offenbar verzaubert.

Nun bot sich in der St.-Peterskapelle zu Solothurn also wieder die Gelegenheit, sich von beiden musikalisch und geistig davontragen zu lassen. Ich sass da, auf einem dieser Kirchenstühle und hatte – natürlich – etwas Mühe, den Einstieg zu finden. Die Musik ist anspruchsvoll, man muss sie erst wirken lassen und darf sich nicht nerven, wenn sie einem mal gegen den Strich geht. Doch nach gut zehn Minuten hatten die Musik und ich den gleichen Strich. Und während die Malerei im Chor der Kapelle mit dem leidenden Jesus meine Augen in Beschlag nahm, tat das Pas-des-deux zwischen Glasharfe und Cello selbiges mit meinen Ohren: Mal melodiös sphärisch, mal in Stakkato-Rhythmen, mal leidend, mal harmonisch. Das Spektrum bewegte sich zwischen Soundtüfteleien und Jazz, wie ich sie bei Yello oder Eric Truffaz entdeckt habe.

Und auf einmal, kaum wechselte Jeger von der Glasharfe ans Akkordeon, sah ich mich mitten in Buenos Aires stehen, als die traditionelle Milonga die Porteños in Massen auf die Strassen lockte und Tango tanzen liess. Ein wenig Astor Piazzolla, ein bisschen Fellini-Film und manchmal ein dérapierendes Karussell, das gleich aus seinen immergleichen Bahnen auszubrechen scheint. Und dann plötzlich keltisch angehauchte Klänge.Und irgendwo zwischendrin Erinnerungen an Sonntagabende vor etwa 30 Jahren: Badetag, ausgiebig in der Wanne planschen, Haare waschen, Haare trocknen. Ben Jeger hatte nach der Glasharfe zum Miostar gegriffen und ihn kurzerhand in ein Stück eingebaut. Mit dem Fön trocknete er seine Finger, die für die Akkordeontasten sonst zu nass gewesen wären.

 

Seit der ersten Stunde bei zmitz dabei, ist sie sich bewusst, dass Kultur nicht immer allen gefallen muss. Sie aber weiss, was ihr passt. Soll nicht heissen, dass sie auch einmal über den Tellerrand ihrer eigenen Kultursuppe hinausblickt und Dinge erkundet, die nicht unbedingt ihr Ding sind. Ihr Herz schlägt für Musik – ob ab Bühne oder Konserve – und vor allem für alles, was nicht so ganz in ein Schema passen mag. Und weil sie im Hintergrund aktiv mitdenkt, bleibt zmitz nicht so gut wie ehedem, sondern wird stets besser.