Zartes Pflänzchen und Rockhaudegen?

Neue Horizonte?

Mirjam Staudenmann

«4 hours from south the border» vs. «20 minutes north Kofmehl»

Marcel Frey

Viele Menschen denken, mein Jugend-Hobby seien Pferde und das Reiten gewesen. Ich habe mich schon oft gefragt, wieso ich so wirken mag, war ich doch mit Vorlieben an Konzerten – vor allem an jenen, wo gepogt wurde.

Auch mein zmitz-Blogger-Kollege Marcel hätte das nicht gedacht. Jedenfalls meinte er, am «Asking Alexandria»-Konzert würden mir neue Horizonte aufgehen. Neue Horizonte? Ich habe mir vor 12 Jahren bei einem Konzert von Slipknot die Rippen gequetscht, als fünf Typen auf mich fielen. Auf der anderen Seite bin ich heute dann doch bei einem Glas Rotwein und netter Lounge-Musik ganz wohl und habe mich oft hintersinnt, was mich in meiner Jugend geritten haben mag…

Also schauen wir mal, wie das nach über zehn Jahren so ist – mit der Musik-Kompetenz Marcel als Begleitung könnte der Abend spannend werden. Insgeheim hoffe ich etwas, dass er mich aus der blutigen Menge ziehen könnte. Die Bands Crown The Empire und„The Ghost Inside sind nett, melodiös aber mit harten Gitarrenriffs. Die Menge tanzt und vorne – wo ich nicht bin – wird ein bisschen gepogt.  Es gefällt mir noch immer – fast packt es mich vorne mitzupogen – wäre da nicht diese kleine Angst, die sich bemerkbar macht.

Nun folgt Asking Alexandria mit bärtigem Sänger, der sich die Schweizer Fahne ums Mikrofon gebunden hat. Das ist dann auch gleich der einzige Kritikpunkt, den ich äussern kann: Noch mehr Schweizerfahnen braucht unser Land nicht, auch wenn’s nett gemeint war. Die Band ist geil! Vorne geht’s ab, die Musik ist auf dem Punkt: laut aber tonsicher. Ich denke, Marcel hat es auch gefallen, er hält sich aber noch bedeckt.

Neue Horizonte? Nein. Aber das kurze Wiederfinden von alten. Wenn sie auch nicht mehr ganz zu mir passen. Und – Marcel, mein Blogger-Kollege, hat sich am Schluss doch noch geäussert und auf den Punkt gebracht, was ich nicht formulieren konnte: Es war «good clean fun». Genau. Fast ein bisschen zu nett, keine aufeinanderliegenden Menschen, keine völlig durchgedrehten Poger. Auch wenn ich – wäre es weniger nett gewesen – wohl noch näher an die Wand gestanden wäre.

Neulich beim Cruisen durch Hollywood entdeckten wir vor dem legendären Rock-Club «Whisky a Go Go» eine ellenlange Schlange rund um den Block. Neugierig, was wohl die vielen Teenies in Emo-Look anzog, frage ich bei einem älteren Latino vor dem Eingang nach: «Crown the Empire» hiess die Band, noch nie gehört, aber scheinbar so hype, dass der Mann seine Tochter von «4 hours south the border» bis nach Los Angeles chauffierte.

Nun steht diese Band auch im ausverkauften Kofmehl auf der Bühne, als Anheizer für die Headliner «Asking Alexandria». Beim Anblick der Schlange vor dem Köfu und in Erinnerung an die Menge Fans in L.A. fühle ich mich privilegiert, so eine Band in 20 Minuten Laufdistanz von der eigenen warmen Stube schauen zu können und dafür keine Landesgrenzen überqueren zu müssen.

Das Bild der Leute in der Schlange ähnelt frappant derjenigen in den Staaten, das Durchschnittsalter pendelt sich bei geschätzten 20 Jahren ein, bunte Haare und schwarze Band-T-Shirts, der Dresscode scheint international. Doch obwohl harte Gitarrenklänge mit Krächzgesang von vier aufstrebenden Nu-Metal-Bands auf dem Programm stehen, ist die Meute vor dem Kofmehl trotz dem Aussehen auffallend brav. Wider erwarten ist dies auch während der Konzerte so: Es wird nur wenig Alkohol getrunken und aller Vorurteile zum Trotz ist das Publikum friedlich. Die Bands liefern allesamt musikalisches Red Bull, kurz aber in hoher Konzentration auf den Punkt gebracht. Einflüsse von Linkin Park, Slayer oder Deftones höre ich heraus, Bands, die in meinen jungen Jahren aufkamen und das Genre Nu-Metal überhaupt begründeten. So tauch ich ab in die Nachwuchs-Generation des Metals, hocherfreut, dass es neues zu entdecken gibt, ohne beim Pogen eine blaues Auge kassieren zu müssen.

Er ist unser Mr. Rock. Er besucht gerne laute Konzerte, ist ein Vinyl-Liebhaber, hat immer tausend Ideen und mindestens genauso viele Connections. Er mischt unsere Bloggertreffen auf – und macht auch aus kleinen Konzerten mit seinen Geschichten einen Anlass mit Weltformat, denn Marcel ist ein wandelndes Rock-Lexikon – und dieses Wissen packt er dann gerne in seine Blogs. Er ist zudem eine «Gwungernase» und löchert darum auch gerne hiesige Musiker mit seinen nicht ganz alltäglichen Fragen.