Manuel Stahlberger an den Solothurner Literaturtagen

Ich beende meinen samstäglichen Streifzug durch die diesjährigen wunderbaren Solothurner Literaturtage im ausverkauften Kreuzsaal. Es steht die Late Night Lesung des St.Galler Mundartpoeten und Comiczeichner Manuel Stahlberger auf dem Programm.

Es gibt viel Musik und dazu Dias. Stahlberger zeigt und kommentiert seine Zeichnungen, Piktogramme und Wappen aus seinem 2013 im Verlag «Der gesunde Menschenversand» erschienenen Buch «Zeug». Dazwischen erzählt er Geschichten. Ich amüsiere mich sehr. Vor allem Ritter Karls Geschichte hat es mir angetan. Ein blutrünstiger mittelalterlicher Comic aus Stahlbergers Feder. Und er singt seine Lieder. Von den Liedern mag ich am liebsten «Neumarkt». Und ich wundere mich ehrlich, wie der St. Galler Stahlberger sein Solothurner Publikum in den Bann ziehen kann, mit einer Hymne auf das lokale St.Galler Einkaufszentrum aus den Siebzigerjahren.

Dann plötzlich erinnere ich mich: Boni Kollers Baby Jail höhnten 1989 lauthals von den Schweizer Bühnen: «D’Sanggaller schtönd scho z’Rapperswil… Und bi eus häts au scho vill… D’Sanggaller schtönd scho z’Rapperswil… Bis a d’Sihl fählt nümme vill.» Heute, ein bescheidenes Vierteljahrhundert später, tönt es anders. So lobt unter anderem der Zürcher Tages Anzeiger die St. Galler Band Stahlberger, um ihren Sänger und Texter Manuel Stahlberger, als das herausragende Mass der Dinge innerhalb der Schweizer Mundartmusik. Sogar die Berner Züri West haben kürzlich Stahlbergers Song «Abghenkt» gecovert und in ihr Liveprogramm eingebaut, was einer Art Zepterübergabe innerhalb der Schweizer Mundartszene gleichkommt.

Überall nur lobende Worte. Irgendwie komisch, denn als St.Galler mit dem Brodworscht-Akzent durfte man sich bis vor kurzem westlich von Winterthur höchstens mit Senf laut zu Wort melden. Ohne diese gelbe Paste, mit der man die echte St. Galler Bratwurst kulinarisch grob missbraucht, galt der Ostschweizer da und dort schon mal als öffentliche Belustigung oder nahezu als Ärgernis.

Heute also steht Stahlberger solo als St. Galler an den Solothurner Literaturtagen mit seinem Programm «Innerorts» und mit seinem Buch «Zeug» auf der Bühne im Kreuzsaal und begeistert sein Publikum. Fein! Wirklich sehr, sehr fein! Und eben: Die St. Galler sind schon in Solothurn! Nur mit der Band war er glaub noch nie da! Schade! Wirklich sehr, sehr schade!

Manuel Stahlberger:«Zeug», Verlag Der gesunde Menschenversand, 220 Seiten, CHF 26.10, ISBN 978-3-905825-59-6 (Link zum Buch bei buchhaus.ch)